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My Daughter, The Queen of France: Spielbericht.

Ein kurzer Eindruck zu Daniel Woods My Daughter, The Queen of France - a roleplaying game directed by William Shakespeare (2011), gespielt als Shakespeare auf der 3W6 Con in Wien.

 

Worum geht es? William Shakespeare - der Name steht hier nur für einen fiktionalen Stückeschreiber, das Spiel muss nichts mit der historischen Person noch mit seiner Zeit zu tun haben - hat sich mit seiner Tochter überworfen. Im Versuch das zu verarbeiten, wendet er sich an seine Vertrauten, mit denen er im Spielverlauf ein Stück schreibt, probt, aufführt, das dem Wesen seiner Tochter nachgeht und fragt, wie es so weit kommen konnte.

My Daughter gehört also in die Kategorie von Rollenspielen, in der unsere Rollen selbst Rollen spielen. D.h. alle bis auf Shakespeare, der als Dramatiker die Szenen vorlegt, selbst aber keine Rollen übernimmt.

Das Spiel beginnt mit einem Fragenkatalog, den Shakespeare beantwortet und damit die Situation erschafft. Die zentrale Frage ist dabei, was die Tochter konkret getan hat, welche Handlung den Kern des Zerwürfnisses ausmacht. Damit liegt sehr viel Entscheidungsgewalt bei Shakespeare, der hier allein über das Setting entscheidet. (In der Fiktion sagt das natürlich auch etwas darüber aus, wie Shakespeare den ganzen Konflikt konstruiert). Weil mir das zu viel war, habe ich auf der Con mit den anderen gebrainstormed. Geeinigt haben wir uns auf eine reiche und angesehene schwedische Familie. Die Tochter sollte den Vorsitz der Familienstiftung übernehmen und hat sich im letzten Moment und vor Publikum dagegen entschieden. Da die erste Szene immer aus der finalen Konfrontation zwischen Vater und Tochter besteht, dürfte der Zusammenhang zwischen dieser Frage und der Szene meist eng sein. 


Dann beantworten die Vertrauten jeweils Fragen, die weniger für die Allgemeinheit denn dazu bestimmt sind, ein paar Richtlinien zu etablieren, nach denen die eigene Figur die ihr von Shakespeare zugeteilten Rollen spielt bzw. ihre Haltung zu der ganzen beklagenswerten (oder nicht?) Situation. 


Man wird vom Spiel durch die Fragen und auch später beim Szenen Vorlegen sehr an die Hand genommen, was wegen der doch ungewöhnlichen Prämisse sehr angenehm ist.

Der Clou an My Daughter, The Queen of France ist aber, dass jede Szene mehrfach gespielt werden kann, so Shakespeare das verlangt. Im ersten Durchgang ist dabei nur Dialog erlaubt ohne Handlungen, Bühnenanweisungen, Emotionen (!) und Monologe. Diese Beschränkungen werde Durchgang um Durchgang aufgehoben. Wie sich das anfühlt, kann ich nur vermuten. Es ist auf jeden Fall ein beeindruckender Effekt, wenn zunächst nur Text gesprochen wird, dann Handlungen und Emotionen hinzukommen. Ein Mitspieler bemerkte danach, dass diese Aspekte dadurch - wie am Theater, wo Schauspiel auch nicht mit einer voll realisierten Darstellung beginne - deutlicher wahrgenommen und präziser gespielt würden. Als Shakespeare kann ich mir dagegen in jedem Durchgang (der Regeltext ist hier etwas unklar und spricht von einmal pro Szene, was sehr wenig wäre und kaum gemeint sein kann) ein Element der Darstellung durch meine Vertrauten heraussuchen, dass mir besonders treffend erscheint. Dieses Element muss in jeder folgenden Interpretation wiederaufgenommen werden - Beispiele aus der Runde: (Shakespeare) 'Und eine Reise nach Berlin bringt ihre Mutter auch nicht zurück.' Oder (Shakespeare) Spricht in sein Cognacglas. Derselbe Ausruf, dieselbe Handlung kann dabei eine vollkommen andere Bedeutung bekommen, wie überhaupt die Rückkehr zu Szenen die gespielten Ereignisse und Beziehungen in ganz anderem Licht erscheinen lässt. Wir sind ganz zum Schluss noch ein letztes Mal zur ersten Szene zurückgegangen, die mit dem Verständnis der Figuren, das wir über fünf oder sechs vorherige Szenen erlangt hatten, im Hintergrund natürlich ein ganz anderes Gewicht hatte. Dieser "Erkenntnisprozess" gefällt mir bisher am besten am Spiel. Spürbar war für mich in dem ganzen Prozess auch eine gewisse Frustration, weil ich mir ein Bild meiner Tochter zurechtgelegt hatte, dass sich im Spiel der Vertrauten so nicht wiederfand. Die einzige Möglichkeit, die Shakespeare hier zur Verfügung steht, um selbst Einfluss zu nehmen - abgesehen vom initialen Vorlegen der Szene - sind die wiederaufzunehmenden Elemente. Dementsprechend habe ich vor allem nach denen gesucht, die Alternativen zur vorherrschenden Darstellung der Tochter als Freigeist ohne den Mut zur Konfrontation mit ihrem anspruchsvollen Vater ermöglichen würden. Obwohl ich also viel Zeit mit Zuhören verbrachte, hatte ich doch auch das Gefühl etwas zu tun zu haben. Die Frustration wiederum ist, denke ich, durchaus beabsichtigt, schreibt Wood doch einleitend: "My Daughter, the Queen of France is a game about what it means to grow apart from the things you have made, and the efforts and contortions we go through to reconcile ourselves to that inevitable division." Der Bruch ist hier ein doppelter, zwischen Shakespeare und der Tochter sowie Shakespeare und der Interpretation von ihm vorgelegter Szenen durch die Vertrauten. Das Vorlegen der Szenen selbst braucht ein bisschen Mut, weil es dabei außer, dass sie zeitlich vor der ersten Szene, also der Konfrontation, spielen müssen, keine Richtlinien gibt.


Ein Vertrauter, Shakespeares Sohn Carl, der Bruder der Tochter, war meiner Ansicht nach zu stark in die ganze Angelegenheit verwickelt. Davon würde ich beim nächsten Mal abraten. Der Spieler hat das seine Rollendarstellung auch sehr stark beeinflussen lassen. Die beiden anderen Vertrauten waren Anna, eine Jugendfreundin der Tochter und August, der Verwalter des Familienanwesens.

Im Feedback wurde der tiefe Einblick in die Beziehungen und Psyche der Figuren, vor allem der Tochter, betont, den das Spiel nach und nach eröffnet. Eine Mitspielerin fühlte sich an die Methode Familienaufstellung erinnert. Interessant ist die Frage, wie emotional das Ganze werden kann z.B. im Gegensatz zu Hillfolk, in dem man die Rollen und Konflikte direkt ausspielt. Unsere Runde würde ich als mäßig intensiv beschreiben. Andererseits kann man hier eben im Gegensatz zu Hillfolk, wo man nach einer halbgaren Szene zur nächsten weitergeht, im nächsten Durchgang und uU in anderer Besetzung versuchen, mehr herauszuholen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Mich - als Zuschauer/Shakespeare - hat das auch nicht aus der Fiktion geworfen oder so.

Ein Spiel, dass sich leichter spielt als es vielleicht zunächst wirkt und sich zu einem echten Favoriten für Familiendrama-Rollenspiel mausern könnte.

Für einen kostenlosen GameChef-Beitrag ohnehin überdurchschnittlich gut gemacht.

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